2013/01/25

Kommentar zu europäischen Perspektiven von Bischof Dr. Markus Dröge

Seit 2009 ist Bischof Dr. Markus Dröge der Nachfolger von Bischof Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Huber an der Spitze der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Gelegentlich äußert er sich auch zu europäischen Themen. Anlässlich des Taizétreffens in Berlin Ende 2011 deutete er an, dass »gegenseitiges Verständnis« heute, in Zeiten einer »globalisierten Welt«, nötiger sei denn je. Die Taizégemeinschaft bezeichnete er als ein internationales »Netzwerk, das auch durch die jährlichen Europäischen Jugendtreffen zusammengehalten wird«. Nebenbei bemerkt: Das nächste Europäische Jugendtreffen findet im deutsch-französischen Jubeljahr 2013 passenderweise in Straßburg statt.

Im Zusammenhang mit der europäischen Öffentlichkeit und zivilgesellschaftlichen Strukturen in Europa berief sich Dröge kürzlich auf Immanuel Kant. Dieser habe in seinem Buch »Zum ewigen Frieden« drei wichtige Prinzipien herausgestellt. Also gibt der interessierte Zeitgenosse mal eben jene drei Worte bei einer Suchmaschine seines Nicht-Vertrauens ein. Die erste Überraschung bilden die Finger des Scan-Menschen, eheberingt und mit kleinen rosa Blätterhilfen quasi befingerhutet. Die nächste Überraschung bietet der erste Satz mit Bezug zu dem Titel der Schrift (in feinster Fraktur): »Ob diese satyrische Ueberschrift auf dem Schilde jenes holländischen Gastwirths, worauf ein Kirchhof gemahlt war, die Menschen überhaupt, oder besonders die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können, oder wohl gar nur die Philosophen gelte, die jenen süßen Traum träumen, mag dahin gestellt seyn.«
Bildschirmdruck: books.google.de (25.1.2013)
Bildschirmdruck: books.google.de (25.1.2013)

Sucht man nun nach dem ersten Punkt, auf den Dröge anspielt, findet man Kants Ausführungen zum Friedensbund (foedus pacificum), der von einer Republik »(die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt seyn muß)« ausgehen müsse. Zum zweiten Punkt, Frieden durch Freihandel, findet sich zum Beispiel eine schöne Anmerkung, in der Kant »die Natur« als Friedensstifter zwischen Bewohnern der »Eisküsten« und der »temperirten Erdstriche« auftreten lässt, die friedvoll miteinander Holz gegen »Produkte aus dem Thierreich« tauschen werden.
Der dritte Punkt schließlich passt tatsächlich gut in unsere Zeit, obwohl er aus ganz anderen Kontexten von Kant entwickelt wird: »Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine nothwendige Ergänzung des ungeschriebenen Codex, sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der continuirlichen Annäherung zu befinden, nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf.«
Es stellt sich allerdings schon die Frage, ob es legitim ist, wie Dröge eine transnationale Öffentlichkeit mit Christinnen und Christen als aktiven Bürgern für ein lebendiges Europa aus dem ersten Teil des Kantischen Bandwurmsatzes abzuleiten. In meinen Augen sollte man die scheinbar noch hoffnungsloser verstrickten Ansätze einer Weltgemeinschaft nicht aus den Augen verlieren – egal welcher Religion oder Nicht-Religion man sich verpflichtet sieht. Das kann und wird sicher auch der ehemalige Vorsitzende des Aufsichtsrates des Evangelischen Entwicklungsdienstes (eed) bei Gelegenheit unterstreichen.

Die Ausführungen zum Taizétreffen finden sich als Text auch auf den Seiten der EKBO:
http://www.ekbo.de/bischof/1058819/
Die Überlegungen zur europäischen Öffentlichkeit wurden in der Gemeindezeitung der Evangelischen Auengemeinde in Berlin-Wilmersdorf (Dezember 2012/Januar 2013) veröffentlicht:
www.auenkirche.de