2015/06/17

Twitter #BRUinBER

At a Brussels-Alumni-Event (16 June 2015, Belgian Embassy in Brussels), the Belgian Minister of Finance Johan Van Overtfeldt (Nieuw-Vlaamse Alliantie, separatist/national-conservative Flemish Party) held a short talk. He spoke about an informal meeting with his German colleague Wolfgang Schäuble. Of course, everything informal nowadays is on Greece. The Belgian Minister said he had pointed out to mister Schäuble that the crisis was the chance to carry the European integration to the next level and rectify some important shortcomings of the monetary union. After being asked directly, he admitted that the social situation in Greece was a »drama«. Nevertheless the next steps for him are (neoliberal) reforms – which the Greek government refuses for the time being.

Of course, things like this are made to be put on social networks ...
https://twitter.com/hashtag/BRUinBER?src=hash

Twitter: #BRUinBER | Bildschirmdruck: dia-eu

2015/05/31

Gesellschaftliche Ungleichheit in Europa – ein wachsendes Problem

Gesellschaftliche Ungleichheit als wachsendes Problem | (c) dia-eu
Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat ein Ungleichheitsbuch geschrieben, das gerade für Europa historisch brisante Schlussfolgerungen zieht. Nicht zu unrecht wird das preisgekrönte Werk als »Epochenwerk, das die Geschichte der Einkommensverteilung neu vermessen hat« gelobt (Hartmut Kaelble: Rezension zu: Piketty, Thomas: Das Kapital im 21. Jahrhundert. München 2014, in: H-Soz-Kult, 04.03.2015, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22840>).
In der gleichen Rezension wird ebenfalls zu recht auf Lücken verwiesen, die das Buch bei der Betrachtung der sozialen Ungleichheit aufweist. Meine Wahrnehmung ist, dass Europa von wachsender gesellschaftlicher Ungleichheit gekennzeichnet ist, die sich in sogar noch mehr Dimensionen und Verästelungen zeigt.
Die ökonomische Ungleichheit ist wohl am ehesten die Sparte der Ungleichheit, die Piketty mit seiner Konzentration auf die Superreichen im Blick hat. Vermögensfrage kann für mich gleichzeitig bedeuten: Vermag ich es noch, mir mit meinem Einkommen, meinem Vermögen, meinen Sozialtransfer-Fähigkeiten zum Beispiel Wohnraum zu sichern? Die vielen obdachlosen Menschen in europäischen Städten geben in gewisser Weise Antwort auf diese Frage.
Soziale Ungleichheit ist nicht nur die Beobachtung, dass ein Umbau der europäischen Wohlfahrtsstaaten nach dem Modell Hartz IV Menschen in verschiedenen sozialen Schichten auseinander bewegt und sich eine ungeahnte Armutsdynamik entfaltet. Auch Bildung beziehungsweise Nicht-Bildung ist Teil dieser sozialen Dimension.
Hier zeigt sich, wie gerade in Deutschland verschiedene Verästelungen gesellschaftlicher Ungleichheit beieinander liegen. Denn es hat viel mit sozialer Schichtung und gleichzeitig viel mit verschiedenen Bildungskulturen zu tun, dass einige Gruppen in unserer Gesellschaft beispielsweise Digitalisierung als Chance nutzen, andere hingegen in Gefahr sind, abgehängt zu werden.
Politische Ungleichheit schlägt schließlich den Bogen zum letzten Eintrag und den wutbürgerhaften Pegida-Anhängern. Europäisierung beispielsweise wird im politischen Raum sehr verschieden, quasi ungleich, gedeutet: Die einen möchten die immer engere Union verwirklichen und sind Verteidiger des europäischen Projektes, die anderen sehen ebendieses Projekt als Ausdruck der ohnmächtig machenden, abgehobenen Elitenpolitik und wenden sich resigniert ab oder suchen sich aggressive Anti-Europa-Kanäle.
Die verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit auf allen Ebenen, von global bis lokal, zu bekämpfen, erscheint mir eine der Mammutaufgaben des 21. Jahrhunderts zu sein.

2015/04/22

Widerstand der Generation Made in Europe

Es war mal wieder Montag, es war mal wieder Dresden: es hat mich (wieder) geärgert, dass das Dresdener Lokalproblem mit dem surrealen Titel Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes zehntausend Leute zusammemgekriegt hat. Die Leute, die da mit Kreuzen und Deutschlandflaggen unterwegs sind, sollten mal bei Vanessa Conzes Das Europa der Deutschen nachschauen, welche unheiligen Geister sie wecken (http://hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-6814). Diesmal kam zu der Lokalproblem-Komponente eine negative Europäisierungsdynamik hinzu, denn Geert Wilders von der niederländischen Partij voor de Vrijheit hielt eine Ansprache in dem pittoresken Städtchen. Daran kann man sehen, wieviel Druck gerade in Teilen der deutschen Gesellschaft (sind die noch ganz bei Trost?) auf dem Kessel mit der Aufschrift Ethnozentrismus/Populismus/Fundamentalismus ist. In einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde 2013 schön gezeigt, welche Typen von Rechtsextremismus es in der Europäischen Union so alles zu bekämpfen gilt (http://www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=10030&ty=pdf). Was diesen Kampf angeht, hoffe ich auf die Generation, die nichts anderes als die politisierte Post-Maastricht, die West-Ost-Nord-Süd Post-Helsinki Europäische Union kennengelernt hat. Angelehnt an ein Souvenir aus dem Parlamentarium in Brüssel nenne ich sie Generation Made in Europe. Ich selbst bin nicht nur noch Generation Made in Germany, nein sogar Generation Made in West-Germany. Meine Großväter und Vätergeneration hat auch und gerade um die Öffentlichkeit gekämpft, um das europäische Projekt aufs Gleis zu bringen, meine Generation kennt die Völkerverständigung in Europa vor allem aus den Geschichtsbüchern und es könnte sein, dass die nächste Generation Widerstand leisten muss, damit die europäische Integration am Ende dieses Jahrhunderts nicht nur noch in den historischen Meistererzählungen vorkommt. Generation Made in Europe leiste Widerstand! Um zum Schluss gegen all diese Möchtgern-christlichen-Abendländer Dietrich Bonnhöffer zu zitieren: Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

2015/03/27

Effizienz, Wettbewerb und europäische Förderpolitik

Einerseits steht das Jahr 2015 aus der Sicht europäischer Förderpolitik unter dem Eindruck eines Investitionsprogramms für Europa. Die Kommission hat dieses Programm als eines der Projekte für 2005 definiert (siehe dia-eu.blogspot.com/2015/02). Andererseits ist das Jahr 2015 auch das erste in der Förderperiode 2014 bis 2020, in der voll zum Tragen kommen wird, dass Effizienz als eines der EU-Schlagworte noch an Bedeutung hinzugewonnen hat. Wie wirkt sich das im Hinblick auf Programme zum Beispiel in Deutschland aus?
ESF prangt in Berlin auf Flyern, Jutebeuteln, Bürotüren... | (c) dia-eu
Erstes Beispiel – Berlin: Beim Europäischen Sozialfonds geht es nach der Sprachregelung der Kommission um Investitionen in »die Menschen Europas«. Mehr als bisher soll dabei der Erfolg von Maßnahmen nachgewiesen werden. Verbindliche Erfolgsindikatoren heißt die Devise. Mit weniger Geld (in Berlin 215 Millionen Euro von 2014 bis 2020 statt 336 Millionen Euro von 2007 bis 2013) mehr erreichen, das ist die Idee. In Berlin soll deshalb eine Einrichtung in Zukunft Verwaltungsaufgaben im Rahmen des Fonds zentral durchführen und damit Abläufe erleichtern. Außerdem soll drohender Sanktionierung von Projekten mit Bescheinigungen von anerkannten Institutionen für Teilnehmende entgegengetreten werden – die Frage bleibt, ob nicht Maßnahmen mehr und mehr »zum Schein« durchgeführt werden.
Zweites Beispiel – Brandenburg: In der Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit der verschiedenen europäischen Fonds geht Brandenburg den Weg des Wettbewerbs. Neben Effizienz ist Wettbewerb ja seit jeher ein Leitthema der europäischen Einigung. Im konkreten Fall können sich Kommunen zusammenschließen, um gemeinsam eine Strategie für den »Stadt-Umland-Wettbewerb« einzureichen. Es soll um die Themen gehen, die gerade in der ländlichen Entwicklung in aller Munde sind: Mobilität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Tourismus. Immerhin 213 Millionen Euro stellen die Brandenburger Vergabestellen aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums für diesen Wettbewerb zur Verfügung. Auffällig, dass Brandenburg für einen Wettbewerb Gelder in einer gleichen Größenordnung zur Verfügung stellt, wie sie in Berlin insgesamt im Rahmen des Europäischen Sozialfonds in »­die Menschen Europas« investiert.

2015/02/01

Arbeitsprogramm Kommission 2015 – TTIP als eigentlicher Aufreger


Die Kommission hat für 2015 ein Programm. Bei der Baustelle der Steuerdeals versuchen Juncker und Co, offensiv mit dem Thema umzugehen und schlagen einen Aktionsplan gegen Steuerumgehung und Steuerbetrug vor. Wichtigstes Ziel für 2015 ist ein Investitionsprogramm für Europa, was bereits vor dem Arbeitsprogramm angekündigt worden war. Es soll in den kommenden drei Jahren mindestens 315 Milliarden Euro an Investitionen in Europa nach sich ziehen. Im Arbeitsprogramm werden gesetzgeberische Maßnahmen angekündigt, um diese massive Mobilisierung von öffentlichen und privaten Mitteln zu erreichen.

Weitere Ziele des Arbeitsprogramms der neuen Kommission sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einem echten digitalen Binnenmarkt, Initiativen in Richtung einer europäischen Energieunion und eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Neben dem Konzept, mit dem Steuersparmodelle großer Unternehmen in Europa eingedämmt werden sollen, ist aus insbesondere die sogenannte »europäische Migrationsagenda« im Arbeitsprogramm für 2015 von Belang. Sie soll unter anderem ein neues Konzept für legale Migration in die Europäische Union enthalten. Auch die Schaffung eines verbindlichen Transparenzregisters verspricht interessante Zeiten in Brüssel.

Im Zuge des Arbeitsprogramms kam jedoch auch neue Kritik auf, da auch zur Verabschiedung anstehende Vorschläge von der Kommission zurückgezogen werden sollen. Dies betrifft nicht zuletzt den Umweltbereich. Jean-Claude Junckers Stellvertreter, der Erste Vizepräsident Frans Timmermanns, sagte dazu: »Diese Kommission ist sich einig, dass Europa Flagge zeigen muss, auch bei Umwelt- und Sozialstandards. Allerdings sollten die EU-Organe keine Zeit und Energie auf Vorschläge verschwenden, die keine Aussicht auf Verabschiedung haben.«



Die eigentliche Herausforderung scheint mir jedoch das Transatlantische Handelsabkommen TTIP zu sein. Es wird auf der Seite des Arbeitsprogramms gar nicht explizit erwähnt, könnte gleichzeitig eine entscheidende Diskussionsthematik 2015 werden. In Deutschland wird aus verschiedenen Richtungen (Ökolandbau, Globalisierungskritiker) gegen das Abkommen mobilisiert, wie ein paar aufgegabelte Handzettel aus dem Januar 2015 in einem Berliner Unikontext zeigen...
Handzettel gegen TTIP aufgefunden im Januar 2015 | (c) dia-eu

2014/12/18

The Sleepwalkers (Christopher Clark) and Joyeux Noël (a film by Christian Carion)

As the Christmas Movie Night in the Chapel of Europe (www.ressurection.be) was an event that drew the attention to the film Joyeux Noël, I want to share some thoughts on that movie with the book The Sleepwalkers by Christopher Clark as an intellectual background. While the film tells the story of the Christmas truce 1914, an unofficial ceasefire in World War I, Christopher Clarks tackles the question how Europe went to war in the first place.
I am especially interested how advisors in government decision making used representations of Europe to legitimize particular actions. That is why a scene in which an Anglican bishop is bringing the soldiers back on the battle track in a sermon especially struck me. When he is preaching on more or less the forces of good against the forces of evil, I see this as an example of the narrative of an righteous Europe against a dark Europe. When we look with Clark at the political culture that brought Europe’s men to this not so merry Christmas situation 1914 the question remains: Was it a crime or a tragedy (p. 561)?
In good Anglo-saxon tradition, Clark writes in vivid, capturing style and starts his story how Europe went to war with a personal story in the acknowledgments. As a nine-year-old, he talked to his great-uncle Jim (p. xvi):
I asked him whether the men who fought in the war were scared or keen to get into the fight. He replied that some were scared and some were keen. Did the keen ones fight better than the scared ones, I asked. ›No‹, said Jim ›It was the keen ones who shat themselves first.‹ I was deeply impressed by this remark and puzzled over it – especially over the word ›first‹ – for some time.
Family vase from Jerusalem | (c) dia-eu
When I read this I realized that there is only one story I can recall being told in our family on World War I. Maybe I am typically German in this respect, the stories from World War II are probably responsible for the lack of remembrance of the trenches, of the No Man’s Land and so on.
My grandfather was born in Jerusalem and there are a few items that still remind me of this unusual fact for a German. One of them is a vase ornamented with Arabian characters. A part from being a remnant of this Jerusalem early youth it also is a symbol that the family did not have the chance to take a lot of their belongings with them when they were forced to leave the city in 1917 as the »World War« did not exclude the Near and Middle East.
All of this, the Christmas truce, the World War coming to the holy city and the Australian great-uncle talking about keen and scared soldiers seem absurd and far away to me. But I admit that there are similarities between our situation today and 1914, even if I am sceptical on some of the comparisons that Clark unfolds, for example the Eurozone crisis and the pre-war insecurities (p. 555). Just like our decision makers of 1914, are we sleepwalkers today, »watchful but unseeing, haunted by dreams, yet blind to the reality« (p. 562)?

2014/11/27

Robert Harris: Fatherland (1993)

The year 2014 is of course the remembrance year of countless real events in connection with the beginning of the really dark Europe: World War I (100 years) and World War II (75 years). But I will not remind anybody of real events, but of the contra-factual idea that the British author Robert Harris brought to live in his 1993 novel Fatherland. The action takes place in a very different Berlin 1964, so 50 years before our actual reality. Example of a news bit cited in one of the introductory sections of the novel:
Herbert von Karajan to conduct a special performance of Beethoven’s Ninth Symphony – the European anthem – at the Royal Albert Hall in London on the Führer’s birthday.
It is a European dystopia that is unfolded bit by bit while a German police officer of the criminal police investigates in a series of murders that are connected to highest circles in the German Reich which has more or less won World War II in Europe: The European Community is in existence, consisting of twelve European nations under the domination of Germany. Albert Speer’s Berlin has been built, including a European Parliament on one of the gigantic axis. The flag with the swastika in front of this Parliament is twice as big as the one of the rest of the sattelite states.
It is pretty clear that Harris just did not like the idea of European integration very much when he wrote this detective story with a political message. Even if one likes European integration, the story still leaves an impression. I kept thinking in the process of reading that the author and the cover editor of some editions took it a little to far with the integration bashing. But I have to admit that it is quite fun for those who are vulnerable to the question: »What if...«
I got the message... | en.wikipedia.org

I will not be a spoiler, if you are one of those people intrigued by contra-factual history, you should read for yourself. But I will be a typical historian: Some of the facts and details that Robert Harris brought together some 20 years ago (he is using original documents and historical persons partly) seem to be researched rather quickly and without much accuracy.
In a time when the European integration utopia style is still oftentimes believed to be irreversible, it might be a good idea to look in this very British dark Europe to be reminded that everything human might turn out a whole lot different than the original idea.