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2015/05/31

Gesellschaftliche Ungleichheit in Europa – ein wachsendes Problem

Gesellschaftliche Ungleichheit als wachsendes Problem | (c) dia-eu
Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat ein Ungleichheitsbuch geschrieben, das gerade für Europa historisch brisante Schlussfolgerungen zieht. Nicht zu unrecht wird das preisgekrönte Werk als »Epochenwerk, das die Geschichte der Einkommensverteilung neu vermessen hat« gelobt (Hartmut Kaelble: Rezension zu: Piketty, Thomas: Das Kapital im 21. Jahrhundert. München 2014, in: H-Soz-Kult, 04.03.2015, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22840>).
In der gleichen Rezension wird ebenfalls zu recht auf Lücken verwiesen, die das Buch bei der Betrachtung der sozialen Ungleichheit aufweist. Meine Wahrnehmung ist, dass Europa von wachsender gesellschaftlicher Ungleichheit gekennzeichnet ist, die sich in sogar noch mehr Dimensionen und Verästelungen zeigt.
Die ökonomische Ungleichheit ist wohl am ehesten die Sparte der Ungleichheit, die Piketty mit seiner Konzentration auf die Superreichen im Blick hat. Vermögensfrage kann für mich gleichzeitig bedeuten: Vermag ich es noch, mir mit meinem Einkommen, meinem Vermögen, meinen Sozialtransfer-Fähigkeiten zum Beispiel Wohnraum zu sichern? Die vielen obdachlosen Menschen in europäischen Städten geben in gewisser Weise Antwort auf diese Frage.
Soziale Ungleichheit ist nicht nur die Beobachtung, dass ein Umbau der europäischen Wohlfahrtsstaaten nach dem Modell Hartz IV Menschen in verschiedenen sozialen Schichten auseinander bewegt und sich eine ungeahnte Armutsdynamik entfaltet. Auch Bildung beziehungsweise Nicht-Bildung ist Teil dieser sozialen Dimension.
Hier zeigt sich, wie gerade in Deutschland verschiedene Verästelungen gesellschaftlicher Ungleichheit beieinander liegen. Denn es hat viel mit sozialer Schichtung und gleichzeitig viel mit verschiedenen Bildungskulturen zu tun, dass einige Gruppen in unserer Gesellschaft beispielsweise Digitalisierung als Chance nutzen, andere hingegen in Gefahr sind, abgehängt zu werden.
Politische Ungleichheit schlägt schließlich den Bogen zum letzten Eintrag und den wutbürgerhaften Pegida-Anhängern. Europäisierung beispielsweise wird im politischen Raum sehr verschieden, quasi ungleich, gedeutet: Die einen möchten die immer engere Union verwirklichen und sind Verteidiger des europäischen Projektes, die anderen sehen ebendieses Projekt als Ausdruck der ohnmächtig machenden, abgehobenen Elitenpolitik und wenden sich resigniert ab oder suchen sich aggressive Anti-Europa-Kanäle.
Die verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit auf allen Ebenen, von global bis lokal, zu bekämpfen, erscheint mir eine der Mammutaufgaben des 21. Jahrhunderts zu sein.

2013/03/16

Steinbrück und »eine ökonomische raison d’être«

Beim Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ist die erste Assoziation in Sachen Politikfeld zumeist Finanzen. Der erste Gedanke muss nicht immer der falsche sein. Anlässlich einer Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion unter dem Titel »Herausforderungen einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur« machte Steinbrück am 13.3.2013 darauf aufmerksam, dass für Europa innerer und äußerer Friede eng zusammengehöre. Nach einer persönlich gefärbten, historischen Einleitung über die Errungenschaften europäischer Integration schien sich der Hanseat beim Friedensnobelpreis für die Europäische Union nicht so ganz sicher: Einerseits stellte er die Frage, warum erst jetzt das Komitee diese Wahl getroffen habe, andererseits brauchten seiner Meinung nach die EU-Länder gerade jetzt Bestärkung.
Auch bei dem grundsätzlichen Tenor der Rede fiel es mir nicht ganz leicht, eine klare Linie des Kanzlerkandidaten zu erkennen. Auf der einen Seite wandte er sich historisch aus meiner Sicht richtig dagegen, nur »eine ökonomische raison d’être« für das europäische Projekt anzunehmen (ungefähr 1:00). Auf der anderen Seite argumentierte der Sozialdemokrat ganz sozialdemokratisch immer wieder für eine Solidarität. Allerdings mit handfesten ökonomischen Argumenten – wie beispielsweise der deutschen Handelsbilanz.
 
Videoausschnitt Peer Steinbrück SPD-Fachtagung 13.3.2013 – (c) dia-eu 

Angesichts des Themas der Fachtagung hatten wohl viele auf mehr Auswärtiges und Sicherheitsarchitektonisches gehofft, zum Schluss ließ sich der Reserveoffizier der Bundeswehr noch auf einige Gedankenspiele zu einer zukünftigen Ostsee-Marine oder gar einer Europaarmee ein. Das eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft 1954 gescheitert ist, musste man in diesem Zusammenhang wahrlich nicht erwähnen. Die Einlassungen zur engen Verbindung von zukünftigem sozialen Frieden in Europa und Friedensmacht Europa in der Welt waren für mich allerdings aufschlußreicher – ähnliche Gedanken, wie ich sie bereits im Zuge der Nobelpreis-Diskussion geäußert habe.



2012/11/30

Friedensnobelpreis und Ungleichheit

Die Friedensnobelpreisträgerin 2012 ist schon wieder mit ganz anderen Nachrichten in den Schlagzeilen. Der Friedensnobelpreisträger 2009 war zwar in diesem Monat in aller Munde, kaum jemand hat jedoch an diese Auszeichnung Obamas erinnert, wichtiger ist die Nachwahlherausforderung mit der schönen Überschrift »fiscal cliff«. Nun ist das mit dem Frieden so eine Sache. Ein anderer Nobelpreisträger – der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz – war nämlich mit Analysen, wie Ungleichheit Gesellschaft im Sinne von Unfrieden teuer zu stehen kommt, in Deutschland erfolgreich »auf Tour«.
Überhaupt scheint die gute alte Ungleichheit wieder ein zugkräftiges Thema zu sein. Wie man liest, erscheint im Frühjahr voraussichtlich ein neues Opus von Hans-Ulrich Wehler in der »Beck’schen Reihe« dazu. In meinen Augen liegt in dem Thema zugleich die Aufgabe für die Friedensnobelpreisträgerin dieses Jahres – schon in den ersten Reaktionen nach der Bekanntgabe der Entscheidung unterstrichen die Kommentatorinnen und Kommentatoren, dass das nicht eingehaltene Versprechen des gesellschaftlichen Zusammenwachsens in Europa eine Bürde für die Zukunft sei. Es bleibt trotz der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre eine preiswürdige Leistung, viele »Erbfeindschaften« des Kontinents scheinbar ad acta gelegt zu haben. Wenn der äußere Frieden jedoch mit innerem Unfrieden einhergehen wird, ist die Frage zu stellen, ob die EU sich wirklich um den Frieden verdient gemacht hat.