2012/12/27

Einmal Europapolitik, dann lieber Reiseführer

Aggro ICE - (c) ELE
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Nach der üblichen Preiserhöhung der Deutschen Bahn sitzt halb Deutschland Ende des Jahres gern in deren Fernzügen. In denen liegt auch »mobil. Das Magazin der Deutschen Bahn« aus. Dieses Jahr hatte ich es gleich mit zwei persönlichen Exemplaren zum Mitnehmen zu tun. Während die Titelgeschichte der Ausgabe 12.2013 mit dem Engagement des Nationalfußballers Philipp Lahm für die europäische Integration sich geradezu in die Tiefen europäischer Tagespolitik wagte, kam das offensichtlich nicht gut an, denn Ausgabe 01.2013 war in dieser Hinsicht wieder bedeutend herkömmlicher. Das Heft, was bereits vor Anbruch des Neuen Jahres an Bord der Züge mit dem Portrait des Schauspielers Axel Milberg um die Gunst der Jahresend-Menschen buhlte, hatte weniger offensichtlich nämlich auch eine europapolitische Geschichte zu erzählen, beziehungsweise eben nicht zu erzählen. Auf den Seiten 44 bis 50 geht es nämlich um Budapest, Hauptstadt Ungarns, vor nicht allzu langer Zeit Land mit dem Ratsvorsitz in der Europäischen Union. An Informationen findet sich neben pittoresken Fotos einiges zu Flódnis (»traditionelles jüdisches Schichtgebäck aus Äpfeln, Mohn und Walnüssen«), Kaffeehäusern und der denkmalgeschützten Zentralen Markthalle.

Ich atme fast hörbar für andere Mitreisende auf, als in der Reportage ein Lehrer aus England auftaucht, der »seiner Klasse ein paar Fakten« beibringt. Doch leider geht es zwar um das ungarische Paralament, aber letztlich erfährt der oder die persönlich von der Deutschen Bahn Beschenkte nur, dass sein Gebäude sich architektonisch am Westminster Palace orientiert. Was polititsch in Ungarn los war und ist, darüber schweigt sich das Magazin leider aus. Ist schon klar, dass Feinheiten zu ungarischer Innenpolitik, Ungarns Geschichte im 20. Jahrhundert oder zu Sanktionsmechanismen und ihren Grenzen in der gegenwärtigen Europäischen Union nicht in einen Reisebericht gehören. Einen Hinweis auf die europapolitische Herausforderung, die die aktuelle ungarische Parlamentsmehrheit und Regierung darstellt, hätte in Kontinuität zur Titelgeschichte des vorangegangenen Heftes allerdings auch nicht geschadet. Schon ein wenig eigenartig, dass »mobil« 12.2012 die Fahne europäischer Völkerverständigung hochhält und die Ausgabe 01.2013 zur Unabhängigkeit von Justiz und Medien im Staat des ehemaligen Gulaschkommunismus nichts zu sagen hat. Klar ist Budapest nicht mit der Regierung in Budapest gleichzusetzen, aber selbst im Internet bleibt das Magazin offenkundig bei süßlich Unverfänglichem: »Sweet Budapest: Eine Bildergalerie und ein Rezept für Esterhazy-Torte finden Sie auf dbmobil.de«