2013/11/30

Was sagt der Koalitionsvertrag 2013 zum europäischen Projekt?

Nun ist also alles paraphrasiert und ausbaldowert in Berlin. Eigentlich fast ein bisschen unfair, dass nun die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands eine wichtige Entscheidung in Sachen europäisches Projekt treffen können. Nicht die Gesamtheit der deutschen Wählerinnen und Wähler, nicht die Genossinnen und Genossen in der ganzen Europäischen Union, nur die, die schon seit Urzeiten Mitglied in der alten Tante SPD sind oder die noch schnell in einem Ortsverein/in einer Abteilung untergekommen sind:
Beim Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag dürfen alle Mitglieder abstimmen, die bis zum 13. November 2013 in der Mitgliederverwaltung aufgenommen wurden. Über die Aufnahme entscheidet der Ortsverein.
  (http://www.spd.de/partei/Mitglied_werden/).

Wie sollen die zum Mitmachen und Mitentscheiden Aufgerufenen nun abstimmen? Es klingt natürlich gut, wenn sich die mögliche zukünftige Koalition am Ende des umfänglichen Koalitionsvertrags 2013 selbst ermutigt »ein geschlossenes Auftreten gegenüber den europäischen Partnern und Institutionen« an den Tag zu legen und dies von »der Bundeskanzlerin und dem Vizekanzler« höchstselbst abgestimmt wird. Zwar erfolgt die Verkündung der Verteilung der Posten nach den Beschlüssen von CDU, CSU und SPD, Frau Merkel und Herr Gabriel sind offensichtlich als Kanzlerin und Vize immerhin klar (Punkt 8 Koalitionsvertrag, Arbeitsweise der Koalition).
Unklar bleibt mir bei der europäischen Außenpolitik beispielsweise wie Folgendes funktioniert:
Die Nachbarländer an der südlichen und östlichen Küste des Mittelmeers sind von strategischer Bedeutung für Europa. Eine engere Anbindung dieser Staaten an die EU kann zu einer Stabilisierung der Region beitragen.
Bisher haben sich Deutschland und die Europäische Union insgesamt in dieser Frage nicht mit Ruhm bekleckert. Auch der kurz davor diskutierte Aspekt einer Mitgliedschaft der Türkei zeichnet sich nicht gerade durch Klartext aus. Wiederum davor schreibt sich die im Fall des Falles zweite Große Koalition nach 2000 ins Stammbuch, »die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit« müsse eine »Priorität europäischer Politik sein«. Bisher war in der Politik der Bundesregierung davon wenig zu spüren, wie sie überhaupt wenig bis gar keine europapolitischen Prioritäten zu haben schien. Vielleicht ein Grund für die SPD-Mitglieder, mit »Ja« zu stimmen (Punkt 6 Koalitionsvertrag, Starkes Europa).
Schwach ist der Vertrag in meinen Augen besonders beim Thema Europäische Union und Energiewende. Zwar ist es nicht so, dass im insgesamt ziemlich missratenen Abschnitt zum Thema »Die Energiewende zum Erfolg führen« keine Bezugspunkte zur europäischen Integration hergestellt werden. Aber Sätze wie: »Wir setzen uns auch auf europäischer Ebene für umfassende Transparenz in allen sicherheitsrelevanten Fragen ein.« oder: »Es ist mittelfristig ein Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz im Einklang mit europäischen Regelungen und unter Gewährleistung wettbewerblicher und technologieoffener Lösung.« klingen nicht gerade visionär (Punkt 1 Koalitionsvertrag, Wachstum, Innovation und Wohlstand).
Es wird eine schwierige Entscheidung für die werten deutschen Genossinnen und Genossen werden.
Die Software-Seite giga.de kam auf die Idee, den Text des Koalitionsvertrages in wordle.net, einem »Wortwolken-Generator« einzulesen. Alles in bester Ordnung, würde ich sagen: »Deutschland« ungefähr doppelt so groß wie »Europa« und »Europa« immer noch vor »EU« (wobei man ja gern »Europa« schreibt und die »EU« meint):
Wordle: Koalitionsvertrag 2013