2013/08/26

Nachdenken über die deutsche Dominanz in Europa

Seit dem 1. März 2013 gibt es das Debattenportal europa.deutschlandfunk.de. Es soll die verschiedenen Sendungen des Deutschlandfunks zum Themenkomplex im Netz bündeln. Falls möglich, sollte man in Zukunft vielleicht auch auf die Beiträge des Schwesterprogramms Deutschlandradio Kultur verweisen. Gut gemacht war beispielsweise die Sendung »Der Champion Deutschland« (15. Juli 2013; http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitfragen/2178093/). Ein wenig störend erschien nur, dass Sendungsteile sehr an die viel beachtete Titelgeschichte der Wirtschaftszeitung »The Economist« vom Juni 2013 erinnerten (http://www.economist.com/news/special-report/21579140-germany-now-dominant-country-europe-needs-rethink-way-it-sees-itself-and). Aber das nur nebenbei. Seit dem 19. August 2013 wird auf dem Portal die Frage »Führungsmacht Deutschland?« zur Debatte gestellt. Dabei verfährt man nach dem beliebten Kaleidoskop-Prinzip und zeigt eine polnische, eine französische, eine griechische, eine britische und schließlich eine schweizerische Perspektive. Der französische Blick mit dem Fokus auf die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist in meinen Augen interessant, da er sich in großem Maße auf das »Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen in Paris« stützt.
Was sagt nun der befragte Experte, Hans Stark, zum Thema der deutschen Dominanz und was wäre eventuell zu der von ihm vertretenen Einrichtung zu ergänzen? Leider ist das Telefoninterview nicht im Text auf der Seite wiedergegeben, am eindrücklichsten finde ich die Formulierung:
Deutschland dominiert über seine wirtschaftlichen und finanzpolitischen Trümpfe, während Frankreich bei Weitem nicht mehr in der Lage ist, in der Sicherheits- und in der Verteidigungspolitik die Rolle zu spielen, die es in der Vergangenheit gespielt hat – während des Kalten Kriegs, aber auch noch in den neunziger Jahren.
Der Beitrag verweist bezüglich des Komitees auf die Seite des 50. Jubiläums des Élysée-Vertrags (siehe auch Blog-Beitrag 01/2013; dia-eu.blogspot.com/2013/01), auf der man bereits einiges erfährt: Das Komitee ist im Institut français des relations internationales (IFRI) angesiedelt, es wurde nach einem Regierungsabkommen 1954 eingerichtet.
Das IFRI-Logo im Zeitenlauf – (c) dia-eu
Als Zusatzinformation wäre noch zu ergänzen: Das IFRI wurde 1979 erst vergleichsweise spät aus einer Vorgängerinstitution, dem Centré d’études de politique étrangère (CEPE), nach dem Vorbild US-amerikanischer »think tanks« neu »aufgestellt«, wie man heute sagt. Hans Stark übernahm bereits in den 1990er Jahren die Leitung des Komitees innerhalb der Gesamtstruktur des IFRI, nachdem der langjährige Direktor Walter Schütze in Pension gegangen war.
Der »Zweite Kalte Krieg« und die 1990er Jahre sind sicherlich keine »goldenen Zeitalter«, aber in dem kritischen Nachdenken über die mögliche deutsche Dominanz liegt immer auch eine Wehmut über europapolitisch anders gelagerte Situationen der Vergangenheit. Die Herausforderung ist aber das Jetzt und es verwundert nicht, dass bis zur Bundestagswahl am 22. September 2013 viele Menschen in Europa mit einem unguten Magengefühl auf Deutschland schauen.

No comments:

Post a Comment

Note: Only a member of this blog may post a comment.