2014/06/30

Familienpolitik – auch in der EU ein Thema

Handzettel Diskussion »Kann Kirche Familienpolitik« (c) region-c.de
Bei einer Diskussion zum Thema »Kann Kirche Familienpolitik« vor etwas mehr als drei Wochen (siehe Handzettel-Datei) thematisierte Sven Iversen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF), auch seine Arbeit für COFACE (Confederation of Family Organisations in the European Union, ein Zusammenschluss der Familienorganisationen in der Europäischen Union, http://www.coface-eu.org).

Da im Allgemeinen Europapolitik nicht mit Familienpolitik assoziiert wird (nicht immer zu Recht, siehe dia-eu.blogspot.com/2014/02), seien einige der andiskutierten Punkte hier aufgeführt:

Vor dem Hintergrund der enormen Mobilisierung in Frankreich rund um das Thema »Homo-Ehe« und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wies Iversen darauf hin, dass in Deutschland die familienpolitischen Positionen der beiden großen Kirchen und der nicht-konfessionellen Familienverbände im europäischen Vergleich recht nah beieinander seien. Innerhalb von COFACE stellten sich die deutschen Mitglieder insgesamt eher als liberal-progressiv dar. Während der Hochzeit der Auseinandersetzung in Frankreich konservative französische Mitglieder ihren Gegnern in der öffentlichen Debatte innerhalb (!) der COFACE unversöhnlich gegenüber gestanden hätten.

Im gleichen Atemzug lobte der Geschäftsführer der AGF allerdings auch die generelle Familienpolitik in Frankreich - die französischen Regierungen hätten Vieles richtig gemacht, was in Deutschland nun erst langsam vom Denken in das Handeln übergehen würde. In meinen Augen ein entscheidender Hinweis: Es ist das eine, eine gleichberechtigte Familienpolitik auch auf europäischer Ebene voranzutreiben und etwas anderes, wie sich die Europäer dann sozialwissenschaftlich erfassbar verhalten. Und ich schreibe jetzt ganz bewusst »die Europäer«.

2014/05/23

Kirche im Dorf lassen oder Europa ohne Kirche lassen?

In den Niederlanden und Großbritannien wurde heute bereits ein Teil der zukünftigen Besetzung des Europäischen Parlaments gewählt - vermutlich viele Mitglieder aus dem populistischen und euroskeptischen Bereich. Bevor auch in Deutschland gewählt werden kann, lohnt es sich einmal in kirchliche Publikationen zu schauen, was diese von den zur Wahl stehenden Parteien im Hinblick auf kirchenpolitische Positionen halten. Die Zeitung Die Kirche stellt fest, dass die Kirche auf europäischer Ebene kaum eine Rolle spielt. Der Kommentator führt das auf die unterschiedlichen Traditionen von skandinavischen und deutschen staatsnahen Kirchen bis zur strengen Laizität in Frankreich zurück (http://www.die-kirche.de/artikel-details/europawahl-welche-rolle-spielt-die-kirche).
In der Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland, der aej information, wird dafür plädiert, sich in Kirche und Zivilgesellschaft für Europa und damit gegen Extremisten und Rechtspopulisten zu engagieren. Dazu solle man nicht »auf eine Einladung aus Brüssel warten«, sondern sich aus eigenem Antrieb in die Diskussionen einschalten (http://www.evangelische-jugend.de/fileadmin/user_upload/aej/Die_aej/Downloads/Publikationen/PDF-Ausgaben/aej_information_1-2014.pdf).
Europa aus Kirchensicht – (c) dia-eu
Schließlich sei noch Christ und Welt zitiert, also das, was von dem einst so stolzen Flagschiff katholischer Publizistik Rheinischer Merkur nach der Übernahme durch Die Zeit noch übrig ist. Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland antwortet einer anonymen Zuschrift, die Europa als gegen christliche Werte gerichteten Moloch skizziert. Es sei Zeit für mehr Europa und die europäischen Kirchen sollten die europäischen Werte aus Christentum und Aufklärung aus ihren eignen Traditionen heraus verteidigen (http://www.christundwelt.de/themen/detail/artikel/mehr-europa/).
Ich kann dem nur zustimmen, wobei es gut wäre, die Kirche im Dorf zu lassen und gleichzeitig ein wenig der Kooperations-Tradition in den Prozess der europäischen Integration einzuspeisen. Also: Europa nicht ohne Kirche lassen!

2014/04/30

Kommunal, Europawahl, alles egal

Der 25. Mai 2014 scheint für »Groß und Klein« Anziehungskraft zu haben – neben aktuellen Tempelhof-Volksabstimmungs-Plakaten (siehe letzter Beitrag) hängen nun im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf auch Ankündigungen, die auf einen Bürgerentscheid zur Erhalt einer Kleingartenkolonie aufmerksam machen. Motto »Kleingärten oder Kräne«, oder so ähnlich.
Tempelhofer Feld und Raupen retten am 25.5.14 – (c) dia-eu
 Ich finde es gut, wenn die verschiedenen demokratischen Ebenen ineinandergreifen. Allerdings gibt es schon zu denken, wenn für die Kleingärtner offensichtlich die Europawahl und das spezielle kommunale Thema Schrebergärten oder Stadtumbau (stadtplanerisch auch gern als »Verdichtung« verniedlicht) gleiche Wichtigkeit haben (beides steht klein oben auf den Plakaten). Es wäre schön, wenn gerade mit den verstärkten Kompetenzen des Europäischen Parlaments durch den Lissabon-Vertrag die Wahlen nicht unter ferner liefen laufen würden.

2014/03/31

Europawahl und Synergieeffekte

Die Europawahl eignet sich offensichtlich für wahltechnische Synergieeffekte. Zum Beispiel werden in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahlen am 25. Mai durchgeführt. Der Kölner Stadtanzeiger schreibt zu den Beweggründen, dass Politiker schon lange darauf hinarbeiten, Wahlen zu verbinden, um Kosten zu sparen und Wahlbeteiligungen zu erhöhen (http://www.ksta.de/politik/kommunal--und-europawahl-2014-zwei-abstimmungen-am-selben-tag-,15187246,24158546.html).
Nicht nur Politiker empfehlen dieses Vorgehen, auch politische Beratungsinstitute, über die ich gerade ein Buch veröffentlicht habe (http://www.steiner-verlag.de/programm/fachbuch/geschichte/mittelalter-und-neuzeit/reihen/view/titel/59972.html). Und auch das politiktheoretische Gegenstück zur elitennahen Beratung zielt auf Mobilisierungseffekte: Die Macher des Volksbegehrens »100% Tempelhofer Feld« in Berlin haben ebenfalls eine Koordination mit der Europawahl erreicht.
Das Wiesenmeer (hier im Gegenlicht 2011) – mit der Europawahl 100%ig? (c) dia-eu
Der Gegenvorschlag des SPD-geführten Senats lautet wenig einfallsreich »100% Berlin«. Ich bin gespannt, ob die Schützer des »Wiesenmeers« in Berlin mit ihrer Strategie Erfolg haben werden.

2014/02/28

Jürgen Liminski, europäische Bürgerinitiativen und Familienpolitik

Zwei europäische Bürgerinitiativen sind bisher erfolgreich im Erfüllen der Anforderungen des Lissaboner Vertragswerks gewesen. Mit englischen Zahlen-Wort-Spielen kann man sie als »1ofUs« und »Right2Water« beschreiben, im Deutschen etwas unaufgeregter als »Einer von uns« und »Recht auf Wasser«.
Bildschirmdruck der Seite der EU, welche die abgeschlossenen Bürgerinitiativen sammelt. (Stand: 28.2.2014; http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/initiatives//finalised/submitted)

Right2Water war die erste Initiative, die mehr als EINE Million Unterstützer-Stimmen aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten der EU gesammelt hat. 1ofUs hingegen kann als erste europäische Bürgerinitiative gelten, die mehr als ZWEI Millionen Unterschriften gesammelt hat.
Das bringt mich zu der Frage, die mir schon länger unter den Nägeln brennt: Gibt eine solche geballte Kampagnen-Kraft einer Abtreibungsgegner-Initiative Jürgen Liminski – einschlägig bekanntem Moderator des Deutschlandfunks (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07054.pdf, insbesondere S. 14) – das Recht, zweimal seinen Bruder im Geiste, den Politikwissenschaftler Tobias Teuscher, zu »interviewen«?
Einmal im letzten Jahr zur Unterschriften-Sammelaktion (http://www.deutschlandfunk.de/teuscher-initiative-einer-von-uns-wird-in-bruessel-ernst.694.de.html?dram:article_id=263386&dram:audio_id=223500&dram:play=1)
und dann noch einmal im letzten Monat zur vermeintlich skandalösen Einmischung der EU in familienpolitische Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten (http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/01/12/dlf_20140112_1317_f62160dd.mp3). Für mich ist bei beiden Beiträgen deutlich geworden, dass es nicht um Information oder kritische Auseinandersetzung mit dem Thema geht, sondern der Journalist Liminski selbst eine ganz klare Agenda verfolgt. Warum das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich ist, erschließt sich mir nicht.
Nach dieser virtuellen Zornesfalte im Gesicht nun zurück zum Thema Bürgerinitiativen, Unterschriften und Referenden. Auf den unter der EU-Ebene befindlichen Entitäten kann es durchaus Instrumente geben, die davon profitieren, dass als nächstes europäisches Großereignis die Europawahlen anstehen. In Berlin beispielsweise wird die Abstimmung über die Bebauung des ehemaligen Flugfeldes Tempelhof am 25. Mai durchgeführt. Darauf komme ich in einem der nächsten Beiträge zurück.

2014/01/03

Für ein EU-Sozialsiegel

Im letzten Beitrag ging es um den Erfolg des EU-Bio-Siegels und die Entwicklungen im fairen Handel. Der europäische Verbraucher oder die europäische Verbraucherin steht bei »fairen« Produkten zusätzlich zu der Vernachlässigung des Themas durch die europäischen »konstitutionellen« Institutionen vor der Herausforderung, dass Kaffee beispielsweise ein viel gehandeltes Fairtrade-Produkt ist, bei nachhaltiger Kleidung beispielsweise das Bild wieder unübersichtlich und in Teilen entmutigend wird.
Die Kampagnenorganisation Clean Clothes Campaign konzentriert sich auf die europäischen Märkte, Siegel für nachhaltige Kleidung/Stoffe sind zum Beispiel OE (Organic Exchange) 100 Standard, GOTS (Global Organic Textile Standard) oder bluesign (http://suscitare.wordpress.com/nachhaltigkeit/nachhaltige-mode/).
Was tun in Geschäftsfeldern, denen zu Recht der Ruf anhaftet, besonders sozial verheerend und nicht nachhaltig zu sein (Funktions- und Sportbekleidung)? Derzeit gibt es hier nur die Suche nach den Nischenprodukten, so produziert die Firma Lunge Laufschuhe komplett in Deutschland. Die Schuhe können im Gegensatz zu den Marktführer-Modellen der großen Sportartikelhersteller neu besohlt werden, sicherlich auch ein Nachhaltigkeitsaspekt. In Foren im Netz findet sich einerseits durchaus das Bekenntnis, für solche Produkte, die »in D oder im europäischen Wirtschaftsraum« gefertigt werden, mehr auszugeben. Hohe Preise sind in dieser Logik gerechtfertigt, wenn Adidas, Asics, Nike und Co. »Laufschuhe in Fernost zu lächerlichen Löhnen unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen« herstellen lassen. Gerüchteweise sind andererseits die Löhne auch im Hause Lunge nicht gerade nachhaltig.

Stichwort Arbeitsbedingungen, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es: »Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.« Vor der Europawahl im Mai 2014 – nur noch knapp fünf Monate, von Wahlkampf bisher keine Spur – wäre es ein gutes Vorhaben, ein EU-Sozialsiegel auf den Weg zu bringen, das eine Produktion des jeweiligen Produktes nach europäischen Sozial(mindest)standards zertifiziert.

2013/12/27

EU-Siegel und europäische Kampagnen


Das Bio-Siegel der EU ist zumindest gemessen an der Teilnahme an der Neugestaltung 2009 und der Abstimmung über das Gewinner-Design ein ganz guter Erfolg. Immerhin wurden mit 130.000 Stimmen deutlich mehr Stimmen abgegeben als etwa im Rahmen der Konsultationen zur Verringerung des Mülls durch Plastiktüten (15.500).
Genese des EU-Bio-Siegels: http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eu-policy/logo_de
Auch im Handel läuft es einem recht häufig über den Weg und ist nicht nur auf Produkten von erfolgreichen hessischen Naturkaufmännern zu finden, sondern auch auf französischem Biowein und vielem mehr. Andere Bereiche sind da weniger mit europäischen Kampagnen gesegnet. Der Verein Fairtrade Labelling Organizations, dessen grün-blau-schwarzes Winke-Siegel man zum Beispiel aus Eine-Welt-Läden kennt, führt als nationale Fairtrade-Organisationen immerhin Folgendes auf:

  • Belgien: Max Havelaar Belgium
  • Dänemark: Fairtrade Mærket Danmark
  • Estland: Fairtrade Estonia
  • Finnland: Fairtrade Finland
  • Frankreich: Max Havelaar France
  • Deutschland: Fairtrade Deutschland (dahinter steht TransFair – Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der »Dritten Welt« e.V.)
  • Irland: Fairtrade Mark Ireland
  • Italien: Fairtrade TransFair Italy
  • Lettland: Fairtrade Latvia
  • Litauen: Fairtrade Lithuania
  • Luxemburg: Fairtrade Lëtzebuerg
  • Niederlande: Stichting Max Havelaar Netherland
  • Norwegen: Fairtrade Max Havelaar Norway
  • Österreich: Fairtrade Austria
  • Portugal & Spanien: Fairtrade Ibérica
  • Schweden: Fairtrade Sweden
  • Schweiz: Fairtrade Max Havelaar Switzerland
  • Tschechische Republik: Fairtrade Czech Republic (als Marketing-Organisation gelistet)
  • Vereinigtes Königreich: The Fairtrade Foundation
Nichtsdestoweniger zeigt sich hier in meinen Augen eine Akzentuierung des eigenen, europäischen Wohlergehens (gesunde Bioprodukte müssen mit europäischer Gesetzgebung sichergestellt werden) gegenüber dem Wohlergehen der anderen, außereuropäischen Menschen, die Produkte herstellen/anbauen (faire Handelsbeziehungen und Nachhaltigkeit können von privaten Organisationen sichergestellt werden). Im nächsten Beitrag Anfang 2014 dazu mehr.